Gentrifizierung - sozialverträgliche Stadtteilentwicklung
Fachtagung am 17.11.2011 im Kolpinghaus Frankfurt am Main
Unter Gentrifizierung wird die Aufwertung von Stadtteilen/Wohnquartieren bei gleichzeitiger Verdrängung der ansässigen Bevölkerung verstanden. Steigende Mieten und Kaufpreise sowie Verdrängung von Bewohnern und lokalen Betrieben sind die Folge. Alle prosperierenden Metropolen in Deutschland und auch weltweit sehen sich vor solche und ähnliche Probleme gestellt.
Gentrifizierung ist demnach auch das Ergebnis steigender Wertschätzung der Kernstädte in wirtschaftlich prosperierenden Räumen. Dass diese Kernstädte Einwohnerwachstum verzeichnen, ist aus Sicht der Stadtentwicklung und der Ökologie grundsätzlich positiv zu bewerten, weil dadurch kompakte Städte mit kurzen Wegen unterstützt werden.
Gentrifizierungsprozesse haben in Frankfurt am Main seit den 1970er Jahren stattgefunden. Derzeit gibt es Hinweise, dass in einigen Quartieren eine zweite Welle läuft. Insbesondere in innenstadtnahen Gebieten herrscht ein hoher Aufwertungsdruck. Der anhaltende Zuzug von Bewohnern, der angespannte Wohnungsmarkt, die steigenden Mieten (insbesondere in den innenstadtnahen Stadteilen) und hohe Immobilienpreise (starke Preis- und Umsatzsteigerungen im Wohnungseigentumsmarkt) sowie die Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen, haben Ängste bei vielen Menschen ausgelöst. Sie fürchten um ihre Wohnung und die vertraute Nachbarschaft. Dem berechtigten Bedürfnis nach Heimat, Schutz vor Veränderungen und Erhaltung gewachsener Nachbarschaften soll daher Rechnung getragen werden.
Die Auseinandersetzung mit Gentrifizierung darf jedoch nicht den Blick auf solche Gebiete verstellen, die auf der entgegengesetzten Seite der Entwicklung stehen und sich zu Gebieten entwickeln, deren Problemlagen einen besonderen Handlungsbedarf hervorrufen. Denn gleichzeitig ist es auch Aufgabe der Stadtplanungen, Quartiere, die einen deutlichen Erneuerungsbedarf aufweisen, zu stabilisieren. Vor allem im Rahmen der Städtebauförderung sind Aufwertungsprozesse in diesen Quartieren erwünscht bzw. erforderlich und werden gefördert.
Aufgrund dieses Spannungsfeldes zwischen gewünschten Aufwertungsprozessen in Rahmen von Stadterneuerungsverfahren auf der einen Seite und der Verdrängung von Bevölkerung durch Gentrifizierung auf der anderen Seite, hat sich das Stadtplanungsamt entschlossen, dazu eine Tagung durchzuführen.
Ziel der Tagung war es, Voraussetzungen, Prozesse und Folgen von Gentrifizierung sowie aktuelle Strategien und Instrumente zur Steuerung aufzuzeigen. Gleichzeitig konnten damit aktuelle Forschungsstände, Erfahrungen aus anderen Städten und Sichtweisen aus anderen Blickwinkeln referiert und nachgefragt werden. Dazu wurden Referenten aus dem Bereich der Wirtschaft sowie der Planungsverwaltungen aus den Städten Nürnberg, Hamburg, Berlin und München zu einem Erfahrungsaustausch eingeladen. Ergänzt wurde dies durch einen Erfahrungsbericht eines kritischen Beobachters.
Außerdem haben Vertreter der Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung, der städtischen Ämter, Vertreter der Wohnungswirtschaft, von Verbänden und von Initiativen an der Fachtagung teilgenommen.
Die Veranstaltung hat gezeigt, dass es gegen die negativen Folgen von Aufwertungs- und Gentrifizierungsprozessen keine Patentrezepte gibt. Wichtig ist, die Ursachen und Abläufe dieser Prozesse genauer kennen und verstehen zu lernen, beispielsweise wann erwünschte Aufwertung in nicht erwünschte Verdrängung umschlägt. Nur so können wirksame Steuerungsinstrumente entwickelt und Fehler vermieden werden. Die Veranstaltung hat gezeigt, dass eine sozialverträgliche, positive Steuerung von Gentrifizierungsprozessen ein schwieriges Unterfangen ist. Mehrere Referenten sehen eine positive Steuerungsfunktion sogenannter Milieuschutzsatzungen daher vor allem dann, wenn in Verbindung mit einer entsprechenden (und in Hessen bisher nicht vorhandenen) Rechtsverordnung des Landes die Begründung von Wohneigentum einem Genehmigungsvorbehalt unterstellt wird. Eine Strategie zum erfolgreichen Umgang mit Gentrifizierungsprozessen sollte in jedem Fall auf zwei Ebenen ansetzen: Einerseits sollte sie in den betroffenen Bestandquartieren ein Bündel von Maßnahmen ergreifen, wie beispielsweise der Erlass einer Milieuschutzsatzung oder die Ausübung von Vorkaufsrechten der Kommune. Andererseits hat sie dafür zu sorgen, dass in einer wachsenden Stadt für neue Einwohner und gestiegene Wohnflächenbedarfe zusätzliche Wohngebiete entwickelt sowie neue Wohnungen einschließlich Sozialwohnungen gebaut werden.
Zu dem Hearing ist eine Dokumentation erschienen, mit den Vorträgen der Referenten sowie den im Laufe der Veranstaltung gestellten und beantworteten Fragen. Sie dient als Grundlage für die weitere Arbeit innerhalb der Verwaltung und in den politischen Gremien sowie mit Bürgern und Initiativen. Derzeit wird eine Grundlage für eine Strategieentwicklung „sozialverträgliche Stadtentwicklung“ erarbeitet, die den politischen Gremien zur Abstimmung vorgelegt werden wird.
Das Download der Veröffentlichung sowie die Beitragsfolien der Referenten können untenstehend eingesehen werden.